03.02.2022
Demenz-Früherkennung ist doch wichtig!
Eine Stellungnahme zum Leserbrief im Ärzteblatt, Jan '22
von Dr. Tobias Lindig, Neuroradiologe
Gestern habe ich im aktuellen Ärzteblatt (Heft 4 vom 28. Januar 2022) einen Leserbrief meines ehemaligen Kollegen Herrn PD Dr. Péter Körtvélyessy gelesen, der einen Punkt anspricht, mit dem wir uns auch immer wieder konfrontiert sehen.
"Früherkennung von Demenz – was soll das bringen? Man kann doch sowieso nichts machen."
Und genau diese weit verbreitete Meinung – und da schließe ich mich Herrn Dr. Körtvélyessy vollumfänglich an – ist falsch.
Auch meine Erfahrung aus dem klinischen Alltag als Radiologe und Neurologe bestätigt, was auch Herr Dr. Körtvélyessy in seinem Leserbrief schreibt:
Das Wichtigste ist eine eindeutige Diagnostik.
Hinter dem Begriff der Demenz verbergen sich viele unterschiedliche Erkrankungen.
Eine vollständige Heilung in einem fortgeschrittenen Stadium von Demenz, wie wir es uns alle wünschen würden, davon sind wir noch weit entfernt. Das ist natürlich richtig und hat damit zu tun, dass im Zuge des Erkrankungsprozesses Hirnzellen irreversibel kaputt gehen.
Es gibt unter den Demenzen aber auch symptomatisch behandelbare Formen, wie z.B. eine Lewy-Body-Demenz (zweithäufigste Demenz ab einem Alter von 65) oder reversible Formen, wie einen Normaldruckhydrozephalus.
Und auch wenn die Behandelbarkeit der klassischen Alzheimerdemenz noch nicht gut ist, so gibt es doch die Möglichkeit die Erkrankung durch die Gabe von „Anti-Dementiva“ hinauszuzögern und sei es nur für ein Jahr oder zwei.
Auch hier schließe ich mich Herrn Dr. Körtvélyessy an. Diese Möglichkeit sollten wir keinem Alzheimerpatienten vorenthalten.
Und letztlich, auch das erlebe ich oft – geht es häufig auch nur darum überhaupt eine eindeutige Diagnose zu haben, zu wissen mit welchem Gegner man es zu tun hat. Für sehr viele Patienten ist eine eindeutige Diagnose, nach einem ersten Schock, eine große Erleichterung. Denn nur so hat man die Möglichkeit einen Weg zu finden, um mit der Diagnose umzugehen und verbleibende Lebenszeit sinnvoll zu nutzen.
Unsicherheit und Angst, und das weiß man auch aus vielen Lebenslagen, sind oftmals die schlimmste Alternative.
Es ist ein großer Mehrwert, und hier spreche ich nicht als Geschäftsführer von AIRAmed, sondern als leidenschaftlicher Arzt, dass es mittlerweile innovative Möglichkeiten gibt, um die Früherkennung neurodegenerativer Erkrankungen auch über eine rein visuelle Bildbefundung hinaus substantiell zu unterstützen. Und diese sollten wir für unsere Patienten nutzen.
Ihr Tobias Lindig